Rede von Norbert Platzer zum Volkstrauertag
Volkstrauertag 2016
In seinem Anschreiben an die Schützenbrüder hatte Präsident Hermann Voß schon auf die Besonderheiten in diesem Jahr hingewiesen. Sein Anschreiben im Wortlaut:
„Zur Teilnahme an der Totengedenkfeier der Geselligen Vereine möchte ich heute einladen. Der Gottesdienst findet um 10.00 Uhr in der Basilika statt, anschließend Zug zum Ehrenmal im Marienpark. Hier findet die Kranzniederlegung zum Gedenken der Toten statt. Umrahmt wird die Totengedenkfeier von einigen Liedbeiträgen des Männergesangsvereins. Da wir, die Bürgerschützen, in diesem Jahr Festgebender Verein sind, spricht an diesem Morgen unser Festkettenträger einige Worte anlässlich dieser Totengedenkfeier. Nicht zuletzt Norbert und Günther als FKT und Adjutant, sondern auch unser Festkönig Jürgen und sein Adjutant Thomas würden sich über eine starke Beteiligung der Schützenbrüder an diesem Tag freuen.“
Nach dem Gottesdienst in der Basilika, einem Gebet an der Gnadenkapelle setzte sich der Zug der Kevelaerer Vereine in Richtung Marienpark in Bewegung. Angeführt vom Spielmannszug der Freiwilligen Feuerwehr und dem Spielmannszug. Nachdem die Fahnenabordnungen sich am Ehrenmal im Marienpark aufgestellt, der Männergesangverein musikalisch den Festakt eingeleitet hatte, sprach der Festkettenträger Norbert Platzer die Worte zum Volkstrauertag. Seine Rede:
„Liebe Mitglieder der geselligen Vereine, sehr geehrte Damen und Herren,
„Frieden und Freiheit, das sind die Grundlagen jeder menschenwürdigen Existenz.“ Mit diesen Worten von Konrad Adenauer möchte ich Sie heute zum Volkstrauertag hier am Marienehrenmal begrüßen.
Heute erinnern wir an die schlimmsten Zeiten der deutschen Geschichte, an die beiden Weltkriege und insbesondere an die Nazidiktatur.
Die Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde auch für viele Menschen im Kreis Kleve zum Alptraum. Synagogen in Geldern, Alpen, Goch und Kleve wurden niedergebrannt.
Martin Willing schreibt in seiner Enzyklopädie: Der blanke Terror, angezettelt durch organisierte Nazis, war im gesamten Reich ausgebrochen und steckte unzählige Menschen an, die sich an den unglaublichen Exzessen gegen ihre jüdischen Mitbürger nur allzu gerne beteiligten und selbst zu Tätern wurden. Wäre da nicht die alles überschattende „Endlösung“ in den Konzentrationslagern, deren Dimension die Vorstellungskraft übersteigt, dann könnte man den Pogrom vom November 1938 das wohl schändlichste Massenverbrechen einer von Unmenschlichkeit, Egoismus und Neid befallenen Gesellschaft in Deutschland nennen.
Wir gedenken heute der vielen Menschen, Väter, Mütter, Kinder die hier und in anderen Ländern Opfer von Krieg und Gewalt geworden sind. Wir gedenken der gefallenen Soldaten und der getöteten Zivilisten. Wir gedenken der Männer und Frauen die ihren Widerstand gegen das diktatorische Hitlerregime mit Ihrem Leben bezahlen mussten.
Wir erinnern an die Mitbürgerinnen und Mitbürger, die verfolgt und in Konzentrationslagern vernichtet wurden, weil sie als Juden oder Mitglieder ethnischer Minderheiten nicht in das rassistische Bild der Nazis passten.
Der Zweite Weltkrieg der über einen Zeitraum von 6 Jahren 55 Millionen Menschen das Leben kostete steigerte die Grauen des Ersten Weltkrieges ins bis dahin Unvorstellbare.
Die NS-Diktatur und der Zweite Weltkrieg liegen lange zurück, aber ihre Schatten reichen bis heute. Die Zeit lindert den Schmerz, aber sie heilt nicht alle Wunden.
Wir gedenken heute nicht nur der Opfer der Vergangenheit. Auch jetzt, wo wir uns zu einer stillen Stunde des Gedenkens hier versammelt haben, kämpfen an vielen Orten der Erde Menschen um ihr Leben oder sind in ihrer Freiheit bedroht. Ob in der Ukraine, Syrien oder weiteren 17 Kriegsgebieten auf unserer Erde. Diese Konflikte sind teilweise weit von uns entfernt, doch gehen sie uns deshalb nichts an?
Wir dürfen allein aus dem Gebot der Mitmenschlichkeit nicht wegschauen. Ströme von Flüchtlingen sind in Europa und besonders in Deutschland gelandet. Es gilt den Flüchtlingen zu helfen.
Pegida und Neonazis und anderen rechtsextremen Gruppierungen dürfen nicht die Demokratie unterwandern und unsere freiheitlichen Grundwerte in Frage stellen.
Deshalb verwahren wir uns auch gegen alle Versuche der Neonazis, den Volkstrauertag für sich zu instrumentalisieren. Uns geht es um eine Welt, in der die Menschen in Frieden und Freiheit zusammen-leben können. Uns geht es um ein Gedenken, das sich der Geschichte stellt und deshalb nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch auf die Gegenwart blickt. Gerade wir wissen aus unserer Geschichte sehr genau, dass Freiheit und Demokratie nicht von allein entstehen und nicht von allein erhalten bleiben. Sie brauchen vielmehr Menschen, die sie erkämpfen und bewahren, die sie schützen und stärken. Die Werte, die wir schätzen und die die Grundlage unserer Gesellschaft bilden, sie sind keine selbstverständlichen Güter.
Und deshalb kommt Gedenktagen wie dem Volkstrauertag nach wie vor ein hoher Stellenwert zu. Ein Gedenken, das sich der Geschichte stellt und daraus Rückschlüsse zieht, sensibilisiert dafür, bedrohliche Entwicklungen oder die Verharmlosung von Gewalt rechtzeitig zu erkennen; es sensibilisiert dafür, jeden Menschen zu achten, ungeachtet seiner Herkunft oder seiner Konfession; es sensibilisiert dafür, Frieden und Freiheit hoch zu schätzen.